Worum gehts....
„Aus der Nähe gesehen aber waren diese Würmer Kolonnen von großen Wanzen, die in Vierer-Reihen auf den Hinterbeinen gingen. Ordner begleiteten in Abständen links und rechts den Zug. Diese Ordner, besonders fett und rot, waren durch eine lange glitzernde Schnur verbunden, die aus zahllosen aneinander gehefteten kleinen Büro-Klammern bestand […]“
Erst mit der Pensionierung und mit dem Erwerb eines Fernrohres aus zweiter Hand setzt in letzter Konsequenz die „Menschwerdung“ des Amtsrates Julius Zihal ein, worauf auch der Untertitel des 1939/40 geschriebenen Doderer-Romans „Die erleuchteten Fenster“ verweist. Die Rente, der Sturz aus der Höhe des Beamtentums, und der voyeuristische Blick auf das Leben in den gegenüberliegenden Wohnungen ermöglichen Zihal zunächst die verzerrte Projektion seiner Phantasmen auf die gewöhnliche Alltagswelt. Dabei verschmelzen sexuelle Fixierungen mit lebenslang eingeübten Amtsprinzipien und beruflichen Praktiken und steigern sich in Zihals überbordender Registriersucht und in seinem grotesken Vollständigkeitswahn, denen er die Objekte seiner Beobachtungen unterwirft. Gefangen in seiner Vorstellungswelt erschafft sich der pensionierte Beamte eine zweite, dämonische Wirklichkeit des Totalitären, die letztlich der gegebenen Realität des Faktischen nicht standhalten kann.
Die Verbindung von sexueller und politischer Befangenheit – oder Ideologie – thematisiert Heimito von Doderer auch in seinen „Dämonen“, erweitert in der sozialen und politischen Dimension, die bei ihm schließlich in der Schilderung der bürgerkriegsähnlichen Tumulte um den Brand des Justizpalastes am 15. Juli 1927 mündet. Im Fokus des Interesses steht hierbei weniger eine besondere Boshaftigkeit als vielmehr die abgründige Undurchschaubarkeit der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Naturen beiderlei Geschlechts, denen der Autor mit hartnäckiger Beobachtungsgabe und prägnanten Beschreibungen zu Leibe rückt. Nicht zuletzt besticht Doderers Panoptikum durch seinen skurrilen Humor und seine bis ans Surreale grenzende, paradoxe Vorstellungskraft.
Heimito von Doderer (1896 – 1966) zählte am Ende seines Lebens zu den bedeutendsten, österreichischen Schriftstellern von internationalem Renommee. Im öffentlichen Bewusstsein geriet er jedoch zunehmend in Vergessenheit, zumal er sich politisch schwer verorten lässt und sich mit seinem tiefgründigen, komplexen Schaffen erst relativ spät durchsetzen konnte. Das Theater ohne Furcht und Tadel schlüpft mit „Fieberträume im Einmachglas“ durch die Ritzen einiger Auszüge in den panoramahaften, universalistischen Kosmos des Dichters und folgt seinen Spuren nicht nur „durch einen verborgenen Eingang in die schattige Unterwelt des Vergangenen“, sondern mehr noch den irrlichternden Funken seiner aberwitzigen Phantasie.
am Samstag 5. Oktober 2024
im Bezirksmuseum Alsergrund,
Währingerstr. 43, 1090 Wien
Beginn: 20 Uhr
Mit: Sonja Graf, Markus Hummel und Robert Stuc
Infos unter: 0676/425 09 85
Der Eintritt ist frei.
Die Produktion findet in Zusammenarbeit mit der Heimito-von-Doderer-Gedenkstätte im Bezirksmuseum Alsergrund und im Rahmen der Langen Nacht der Museen sowie mit Unterstützung des 9. Bezirks statt.
Premiere/Uraufführung: Mittwoch, 4. September 2024
weitere Vorstellungen: Donnerstag, 5. September bis Sonntag, 8. September
im Amphitheater im Nordteil des Englischen Gartens - U6 Alte Heide
Die Vorstellungen finden nur bei schönem Wetter statt.
Der Eintritt ist frei.
Vorstellungen innen: Donnerstag, 12. und Freitag 13. September 2024
im Werkhaus, Leonrodstr. 19, 80634 München
(mit Voranmeldung unter: 0162/425 18 92)
Spiel & Leitung: Sonja Graf und Markus Hummel
Gesang: Talel Elkouki
An der Geige: Zeldo Djukelich
Beginn: jeweils um 20.00 Uhr
Infos unter: 0162/425 18 92
Die Produktion findet mit Unterstützung des Kulturreferats, des BA 1, des BA 12 und des BA 13 der Landeshauptstadt München statt.
erzählt und gespielt
nach Lewis Carroll
mit Filmprojektionen und Livemusik
Nach "Alice im Wunderland" und "Hinter den Spiegeln und was Alice dort fand"
am Freitag 7. und Samstag 8. Juni 2024
in La Cantina, Elisabethstr. 53, 80796 München
Beginn: 20 Uhr
Mit: Sonja Graf und Markus Hummel
Karten unter Tel.: 089/127 37 135
oder unter: brmarkus(at)yahoo.com
Infos: 0162/425 18 92
Worum geht's...
„Ich werde hier sitzen bleiben“, bemerkte der Lakai, „bis morgen –“ In diesem Moment öffnete sich die Türe des Hauses und ein riesiger Teller kam herausgeflogen, direkt auf den Kopf des Lakaien zu, berührte seine Nase und zerbrach an einem Baum hinter ihm in tausend Scherben. „Oder bis übermorgen vielleicht“, fuhr er im selben Tonfall fort, als wäre nichts geschehen. „Wie komme ich hinein?“ fragte Alice noch einmal und deutlich lauter als zuvor. „Sollst du denn überhaupt hineinkommen?“ sinnierte der Lakai. „Das ist doch die erste Frage, wenn du verstehst, was ich meine.“ So war es wohl ohne Zweifel; nur Alice hörte es nicht gerne. „Es ist wirklich schrecklich“, murmelte sie vor sich hin, „die Art, wie einem hier alle Geschöpfe die Sätze verdrehen. Es ist zum Verrücktwerden!“
Seit Alice in das Loch des weißen Kaninchens gestürzt und durch einen schier endlosen Schacht gefallen ist, ereignen sich die abstrusesten Dinge: sie verändert fast gänzlich unfreiwillig ihre Gestalt, wird einmal riesengroß, ein anderes Mal verschwindend klein. Die skurrilen Wesen, die ihr begegnen, verstricken sie in absurde Gespräche, aus denen es scheinbar kein Entrinnen gibt und hinter denen sich ein geheimer, unergründlicher Sinn verbirgt. Die Logik der Sprache hebt den Inhalt des Gesagten auf. Staunend, neugierig nachfragend und zugleich selbst neunmalklug streift Alice durchs Wunderland, unbeeindruckt von der Herrschsucht der Herzkönigin, verblüfft vom eigenmächtigen Grinsen der Cheshire-Katze und gelassen dem Säugling der streitsüchtigen Herzogin gegenüber, der sich als Ferkel entpuppt. Bei alledem schlägt die Zeit seltsame Sprünge. Denn entweder sie rast oder sie steht gespenstisch still – wie am Teetisch des Hutmachers, der sie totgeschlagen hat, da er sich einst bei einem königlichen Festkonzert mit ihr gestritten hatte…
Der legendäre Sturz der kindlichen Protagonistin und die daran geknüpften Abenteuer aus „Alice im Wunderland“ verschafften ihrem Verfasser Lewis Carroll (1832 – 1898) Weltberühmtheit. Seine Zitate hielten Einzug im englischen Parlament wie in der surrealistischen Kunst. Unser Wunderland-Projekt, das wir mit großem Erfolg in Wien gezeigt haben, ist nun im Juni auch in München zu sehen. Das Theater des hölzernen Gelächters lädt in Carrolls phantastisch verkehrter Welt zum Tee – auf den Spuren des Traumes und in den Fußstapfen des Aberwitzes.
Die Produktion wird vom BA 4 der Landeshauptstadt München unterstützt.
Hier gibt's mehr zum Lesen - Presseresonanz zu unseren bisherigen Produktionen...
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